Die Zeit ist reif für den nächsten Schritt: Entschlossen vorwärts!

Ich habe heute am 7. Mai 2018 den Prozess der schrittweisen, geordneten Übergabe meiner politischen Verantwortungen eingeleitet. Hier meine Rede dazu:

Geschätzte Damen und Herren, Grüß Gott und Guten Tag. Ich freue mich, dass Sie der Einladung zu einer persönlichen Erklärung gefolgt sind. Ich begrüße auch alle Bürgerinnen und Bürger, die auf den Live-Streams und in den Live-Übertragungen mit dabei sind.

Heute ist der Tag, an dem ich als Gründungsvorsitzender von NEOS die schrittweise, geordnete Übergabe meiner politischen Verantwortungen einleite. Ich tue dies nach erfolgreichem Abschluss unserer Startup-, unserer Aufbauphase. Und ich gebe damit den Auftakt für die nächste Wachstumsetappe von NEOS. Die terminlichen und technischen Details dazu gebe ich Ihnen im weiteren Verlauf. Gestatten Sie mir davor einige persönliche Worte:

In diesen Tagen vor sieben Jahren war ich auf Tour durch Österreich – mit meinem Buch: „Warum wir Politikern nicht trauen? Und was sie tun müss(t)en, damit sich das ändert.“ „Ich liebe Politik“ – diesen Titel hatte ich ursprünglich für das Buch geplant. Der Verlag meinte damals, das würde so wohl kaum jemand interessieren. Ich verstand. Und lies mir den ersten und den letzten Satz im Buch nicht nehmen. Der lautet „Ich liebe Politik.“ Die Politik hat mich schon seit Jugendtagen begeistert und seit meinen Teenager-Zeiten war ich auch immer ehrenamtlich in Vereinen und Initiativen aktiv.

Das Buch hatte ich damals geschrieben, um meine Leidenschaft für das Politische zu kultivieren. Ich hatte es geschrieben, um einen positiven Umgang mit meiner Angstlust zu finden. Ich hatte es geschrieben – das wurde mir erst später klar – als Handlungsanleitung für eine Parteigründung.

Im Oktober 2011 hatte ich zum Abschluss meiner Buchtour durch Österreich in einer Tageszeitung ein Doppelinterview mit dem damaligen Staatssekretär Josef Ostermayer. Die letzte Frage des Journalisten war, ob ich nicht selbst in die Politik gehen sollte. Der Staatssekretär meinte, dass ich wohl lieber über die Politik schreiben würde statt selbst anzupacken. Ich sagte: „Ich werde in der Politik sein. Das weiß ich aus der Tiefe meines Wesens. Aber die Zeit ist noch nicht reif für mich. Man muss auch den richtigen Zeitpunkt erkennen und warten können.“

Ich hörte den Ruf meines Herzens. Und ich wusste, dass ich ihm folgen sollte. Ungelebtes Leben vergiftet. Seit Jahren war da die Idee, dass es gut und wichtig für unser Land wäre, eine neue politische Kraft der Mitte zu etablieren. Ich hatte große Lust, diese Idee mit ins Leben zu bringen. Aber eben Angstlust. Denn noch größer als die Lust war über etliche Jahre die Angst davor. Ich wusste, dieser Schritt hin zu einer Parteigründung würde mein Leben und auch das meiner Lieben komplett auf den Kopf stellen.

Doch in diesen Monaten des Jahres 2011 hatte die Lust an Schwungmasse gewonnen. Und als ein alter Bekannter, nämlich Veit Dengler, am Tag nach dem Interview anrief und meinte „Hey, die Zeit ist reif!“, da sagte ich. „Ja, das seh ich auch so. Jetzt gehen wir‘s gemeinsam an!“ Die Lust war größer geworden als die Angst. Im November 2011 begannen wir – als die zwei Initiatoren – vertiefende Gespräche. Im Februar 2012 begaben wir uns mit rund 40 Bekannten und Freunden aus allen Ecken Österreichs zwei Tage auf Klausur ins niederösterreichische Helenental. Ab da gab es kein Halten mehr.

Wir wuchsen jeden Tag. Wir arbeiteten fleißig wie die Bienen. Aus einer Idee wurde rasch eine Bewegung. Am 27. Oktober 2012 hielten wir mit knapp 300 Leuten unseren Gründungskonvent ab. „NEOS – das Neue Österreich“ war nun auch als Partei geboren. Tausende Menschen haben mitgebaut an einem gemeinsamen Wertefundament, an einem gemeinsamen Programm für ein neues Österreich, an gemeinsamen Strukturen für unsere wachsende Bewegung und an unserer Kultur des Miteinanders. Zu unserer intensivsten Zeit der Programmentwicklung hatten wir über 100 parallel laufende Arbeitsgruppen quer durch ganz Österreich unterwegs. Bis zum heutigen Tag haben die Freiwilligen in unserer Bewegung allein in die inhaltliche Programmarbeit rund zwei Millionen ehrenamtliche Stunden eingebracht.

Unser Ziel war, zur Nationalratswahl 2013 anzutreten und im ersten Anlauf ins Parlament einzuziehen. Hierfür gründeten wir gemeinsam mit dem Liberalen Forum unter Führung von Angelika Mlinar und den Jungen Liberalen unter Führung von Niki Scherak eine Wahlplattform. Sämtliche Fachleute und politischen Beobachter_innen erklärten uns, dass das ein hehres Ziel sei, aber wir daran scheitern würden. Häufigster Hinweis: „Ohne fünf Millionen Euro und ohne Promis habt ihr keine Chance.“ In der Tat: Wir hatten vorerst kein Geld und keine Promis. Aber wir hatten Entschlossenheit, Kompetenz und gute Laune. Der Rest ist bekannt.

Kaum jemand hätte uns damals zugetraut, dass wir sechs Jahre später, 2018, in vielen Gemeinden vertreten sein würden, in den fünf größten Städten Österreichs in den Stadtparlamenten, und in Stadtregierungen. Kaum jemand hätte uns zugetraut, dass wir es innerhalb der ersten sechs Jahre in die Mehrzahl der Landesparlamente schaffen würden, ebenso ins Europäische Parlament und dass wir 2017 zum zweiten Mal und gestärkt in den Nationalrat gewählt werden sollten. Und – was mir auch wichtig ist: Kaum jemand hätte vermutet, dass wir europaweit ein gesuchter Partner für neue, innovative Bewegungen der politischen Mitte sein sollten – von den Ciudadanos in Spanien bis zu Momentum in Ungarn.

Das alles ist Realität geworden. Und mit der Salzburg-Wahl vorletzte Woche haben wir nun unseren Start-up-Zyklus, unsere Aufbauphase abgeschlossen. Alles was wir ab jetzt machen, machen wir nicht mehr zum ersten Mal. Wir haben in den letzten sechs Jahren an rund 30 Wahlen teilgenommen. Vieles ist uns gelungen. Manches nicht. Und überall gibt es Luft nach oben.

Es gibt in Österreich allein seit 1975 über 1.000 Parteigründungen, die sich im Innenministerium registriert haben. Wir sind – jenseits der drei alteingesessenen Lager-Parteien und ihrer Abspaltungen – für den Vergleichszeitraum der ersten sechs Jahre die schnellst wachsende politische Bewegung der Zweiten Republik. Wir sind auf Bundesebene die viertstärkste politische Kraft in einer Republik von fast neun Millionen Menschen. Es macht uns dankbar, diese Aufgabe erfüllen zu können.

Wir sind gekommen, um für das gute Leben für diese fast neun Millionen Menschen zu kämpfen. Politik ist der Ort, wo wir uns ausmachen, wie wir miteinander leben. Diesen Ort wollen wir mit Leidenschaft, Lust und Lösungen fluten. Als eine liberale Bürgerbewegung sind wir den Werten der Freiheitsliebe, der Eigenverantwortung und der Nachhaltigkeit verpflichtet. Die Wertschätzung und die Authentizität sind unsere stilistischen Haltungswerte. Wir glauben an die Freiheit in Verbundenheit. Wir glauben an die schöpferische Kraft des Menschen, an die Schaffenskraft jedes Einzelnen, an das solidarische Miteinander.

Wir sind als Menschen soziale Wesen –  wir übernehmen in Freiheit Verantwortung für uns und unser Miteinander. So funktionieren liberale Demokratien. Wir gehen gemeinsam Wege, um das Chaos des Lebens zu ordnen. Wir sind – verbunden miteinander – auf verantwortliche Weise frei. Wenn wir das gemeinsam schaffen, dann haben wir ein gutes Miteinander, dann haben wir Sicherheit, Freiheit, Wohlstand und Lebensqualität in Österreich und Europa. Das ist das, was wir anstreben mit unserer Vision einer fairen, freien Chancengesellschaft.

Wir denken groß vom Menschen. Von jedem Menschen. Jeder ist einzigartig. Deswegen ist Bildung und Entfaltung so wichtig. Weil wir an die Selbstermächtigung des Menschen glauben. Bildung ist ein zentraler Schlüssel zur gelingenden Selbstsorge und zur Sorge um die Mitmenschen und unser Gemeinwesen. Es geht um die Bildung in Kindergärten, Schulen, im Lehrlingswesen, an Fachhochschulen und Unis. Es geht um lebenslanges Lernen, lebenslange Entfaltung, die uns hoffentlich Freude und ein erfülltes Leben bereitet. Mir ist ein ganzheitlicher Bildungsbegriff wichtig, der auch und gerade die Herzensbildung mit einschließt. Bildung ist mehr als Wissen. Es ist die Fähigkeit, aktiv sein Leben zu gestalten, sein eigenes Umfeld, die Gesellschaft, die Welt mitzugestalten.

Enkelfitte Sozialsysteme sind uns wichtig. Ebenso die Nachhaltigkeit – die Balance von Umwelt, Wirtschaft und Sozialem. Wir wollen dem Unternehmergeist einen guten Platz geben, weil er Ausdruck unseres kreativen Genies als Menschen ist. Weil er sinnstiftende Arbeitsplätze und Wohlstand schafft. Wir tragen Europa im Herzen und wir kämpfen für die liberale Demokratie, die in diesen Jahren weltweit und auch auf unserem Kontinent immer mehr unter Druck kommt.

Ich hoffe und meine, wir konnten als moderne Zentrumsbewegung, als eine konstruktive Kraft der politischen Mitte, hier bisher guten Nutzen und Mehrwert für die Menschen und unsere Gesellschaft stiften. Als eine Kraft der Erneuerung und der demokratischen Kontrolle. Wir glauben daran, dass die Zukunft nicht ein Raum ist, den wir betreten. Es ist ein Raum, den wir gemeinsam erschaffen.

Ich war vor meinem Eintritt in die Politik systemischer Organisationsentwickler. Solchermaßen schaue ich auf die Politik als ein wichtiges Teilsystem unserer Gesellschaft. Aus systemischer Sicht können wir uns das so vorstellen: Wenn ein Element im System einen starken Impuls aussendet, dann geht dieser als Welle durch das ganze System. So haben wir kraftvolle Impulse in das politische Getriebe geschickt. „Neue Köpfe, neuer Stil, neue Politik.“ Das war unser Motto 2013. Das wurde von anderen Parteien breit übernommen. Auch unser Ansatz, eine Bewegung zu bauen, entwickelte beachtliche Strahlkraft. Dass wir in Allianzen denken und handeln, zuletzt mit Irmgard Griss und ihrem politischen Feld, wird in der politischen Zukunft Österreichs Nachahmung finden.

Als wesentliche Pionierarbeit für Österreich sehe ich auch unser wertebasiertes Politikverständnis und viele unserer entwickelten Lösungen für drängende Sachfragen: von einer Bildungswende von unten durch umfassende Schulautonomie bis hin zum enkelfitten Flexipensionsmodell, mit dem wir das System so umgestalten, dass sich auch die nächste Generation gut darauf verlassen kann. Das sind nur zwei exemplarische Lösungsansätze, von denen ich überzeugt bin, dass sie sich mittelfristig durchsetzen werden. Wir bleiben hier mit großer sachlicher Leidenschaft dran.

Und wir NEOS haben noch viel mehr vor. Wir wollen, Schritt für Schritt, bis 2030 zu einer prägenden, politischen Kraft in Österreich werden, die eine Million Unterstützerinnen und Unterstützer hinter sich versammelt. Wir haben das Potenzial, eine 20 Prozent Kraft zu sein.

Damit das gelingen kann, ist es wichtig, dass wir nach Abschluss unserer ersten Aufbauphase, nun entschlossen in die weitere Entfaltung gehen. Als Mitinitiator und ab 2013 Gründungsvorsitzender von NEOS habe ich nun fast sieben Jahre intensive Aufbauarbeit in den Knochen. Ich konnte in dieser Zeit mit meinem Können, Wollen und Tun Gutes mit ins Leben bringen. Die Pionierphase ist nun erfolgreich abgeschlossen. Diese anzuführen war meine Aufgabe, meine Berufung.

Ich habe in meinem Leben etliche Vereine und Unternehmen mit gegründet. Als Mitgründer ist es immer mein Ziel und Selbstverständnis, so lange in der Führungsverantwortung zu sein, bis diese neue Organisation voll tragfähig und stabil ist. Ich war nie ein Sesselkleber. Wenn die Zeit reif ist, dann ist es wichtig, die Verantwortung zu übergeben. Und natürlich bin ich nach der Übergabe meiner Führungsverantwortung diesen Orten und Organisationen stets verbunden geblieben.

So wie mich mein Herzen in diese Aufgabe als Parteigründer gerufen hat, so sagt der Ruf meines Herzen nun, dass der reife Zeitpunkt gekommen ist, meine Führungsverantwortung geordnet und planvoll zu übergeben. Die Start-up-Phase für unserer Bewegung ist erfolgreich abgeschlossen. Wir sind positiv und kraftvoll im Tun für das Land und die Menschen. Die nächste Wachstumsetappe soll unter einer frischen, neuen Führung stattfinden.

In der Politik gibt es die weitverbreitete Idee, dass man erst geht, wenn es nicht mehr anders geht. Dass man erst loslässt, wenn nichts mehr los ist. Dass man erst den Raum verlässt, wenn einem der eigene Sessel vor die Tür gestellt wird. Diese Ideen teile ich nicht. Vorwärts im Fluss des Lebens heißt für mich, aktiv – und in der Kraft – Richtung zu geben.

Ich bin nicht Passagier. Ich bin der Pilot meines eigenen Lebens. Ich bin davon überzeugt, es gibt für uns alle im Leben für private wie berufliche Aufgaben und Entscheidungen stets einen reifen Zeitpunkt. Und wenn wir auf die Stimme unseres Herzens hören, dann wissen wir auch, wann dieser ist. Für mich ist jetzt der reife Zeitpunkt gekommen, die geordnete Übergabe einzuleiten, die Übergabe meiner Funktion als Parteivorsitzender und in einem zweiten Schritt dann auch als Klubobmann.

So habe ich heute früh unseren Vorstand informiert, dass ich mit Juni des Jahres das Staffelholz in der Partei übergeben werde. Es wird voraussichtlich mit Ende Juni eine Mitgliederversammlung geben, im Rahmen derer wir meine Nachfolgerin, meinen Nachfolger wählen. Genaue Festlegungen dazu wird der Erweiterte Vorstand noch diese Woche treffen. Eine erste Telefonkonferenz mit dem Erweiterten Vorstand inklusive allen Landessprecher_innen gibt es bereits heute Nachmittag um 14.00 Uhr. Eine gemeinsame Sitzung am Mittwoch ab 8.00 Uhr.

In den nächsten Wochen werde ich mit dem neuen Parteivorsitz und meinen Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat dann auch den genauen Prozess der geordneten Übergabe im Parlamentsklub festlegen. Diese wird im Herbst dieses Jahres stattfinden. Ich werde dann auch aus dem Nationalrat ausscheiden. Ich bin der Überzeugung, dass ein Gründer bei der Staffelübergabe entschlossen zur Seite treten soll, sodass die neue Führungsriege auch volle Handlungsfreiheit hat.

Sie kennen mich: Bis zum Tag der Übergabe werde ich in beiden Funktionen – als Parteivorsitzender und als Klubobmann im Parlament – mit voller Kraft und Leidenschaft meinen Dienst einbringen. Und freilich werde ich auch nach den Übergaben NEOS eng verbunden bleiben und dort unterstützen, wo es sinnvoll und hilfreich ist.

Es wird die Frage auftauchen: Was mache ich nach diesen zwei geordneten Übergaben persönlich? Das ist offen und ich möchte es ganz bewusst offen halten.

Ich bin ein Sinnarbeiter, ein Gärtner des Lebens, ich kultiviere soziale Felder. Ich gehe also ein Feld weiter. Wie dieses ausschaut, wird sich zeigen. Ich möchte das in Ruhe kommen lassen. Die guten Dinge im Leben begegnen uns, während wir unterwegs sind. Wenn wir aufmerksam unterwegs sind. An der Spitze einer Partei und eines Parlamentsklubs bin ich täglich einer solchen Reizüberflutung ausgesetzt, dass ich bewusst die Ruhe der Wochen und Monate nach Amtsübergabe abwarten will, um gut zu hören, zu sehen und zu spüren, zu verstehen, wo das Leben aufzeigt.

Sie können davon ausgehen, dass meine Leidenschaft für die Bildung, für die ganzheitliche Entfaltung des Menschen, für das Gestalten des menschlichen Miteinanders für mich eine immerwährende Leidenschaft sein wird. Sie wissen, dass ich nicht nur für unsere Heimat Österreich brenne, sondern auch für unsere Heimat Europa. Die Vision einer gemeinsamen Republik Europa, eingebettet in ein verantwortungsvolles globales Miteinander, diese Vision hält mich in ihrem Bann und wird mich sicherlich noch weiter beschäftigen. Es ist auch bekannt, dass ich gerne schreibe und natürlich habe ich einige Buchprojekte im Kopf. Da ist noch nichts in trockenen Tüchern, aber alles so verheißungsvoll, dass ich mich sehr auf diese nächste Lebensetappe freue. Insbesondere freue ich mich auch auf mehr Zeit mit meiner Familie, mit meinen Freunden und für mich selbst.

Geschätzte Damen und Herren, der NEOS Vorstand wird Sie und die Öffentlichkeit noch diese Woche, nämlich nach den Festlegungen in unserem Erweiterten Vorstand am Mittwoch, mit weiteren Details informieren. Wir werden gemeinsam eine gute, geordnete Übergabe organisieren.

Ich bin dankbar, dass mir das Leben diese Aufgabe als Gründungsvorsitzender einer so großartigen neuen Bewegung mit auf meinen Weg gegeben hat. Ich bin dankbar für die vielen Begegnungen, die mich tief berührt haben, die mein Leben reich gemacht haben in diesen sieben Jahren. Ich werde noch ausführlicher Gelegenheit dazu haben, aber bedanke mich schon heute herzlich bei allen, die mich in meinem Wollen und Tun als Gründungsvorsitzender von NEOS unterstützt haben – den interessierten Bürgerinnen und Bürger, unseren Wählerinnen und Wählern, dem konstruktiven Mitbewerb, der in einer liberalen Demokratie wichtig ist und dazu gehört, und ganz wesentlich meinen beherzten Mitstreiter_innen. Mein besonderer Dank geht an meine Frau und meine Familie, für die das oft nicht leicht war. Sie waren eine großartige Stütze.

Ich wünsche meiner Nachfolge von Herzen alles Gute. Ich bin zuversichtlich, dass NEOS ein gutes Stück Zukunft für Österreich sein wird. Verpflichtet der Entfaltung einer fairen, freien Chancengesellschaft. Im Dienste der Menschen und unserer Gemeinschaft, unserer Republik Österreich und unserer Europäischen Union. In diesem Sinne: Auf zur Freiheit, auf zum Glück! Und auf ein Wiedersehen!

Lösungen statt schwarz-blauem Brandbeschleuniger und rot-grüner Vogelstrauß-Politik

 

Die Integration ist eine der größten und wichtigsten Herausforderungen für Österreich. Trotzdem betreibt die Bundesregierung mit dem Streichen wichtiger Mittel für Integration gerade im Bildungsbereich ein politisches Geschäftsmodell, das Chancengerechtigkeit, Sicherheit und die liberale Demokratie in Österreich unterminiert. Gerade urbane Zentren, allen voran Wien, stehen in diesem Zusammenhang vor besonders großen Herausforderungen. Nichtstun ist hier keine Option.

Statt die Integrationsherausforderung umfassend anzugehen, steuert die schwarz-blaue Regierung in die entgegengesetzte Richtung. Die Mittel aus dem mit 80 Millionen Euro dotierten Integrationstopf werden nicht mehr verlängert, die Finanzierung der Sprachförderung in den Kindergärten droht zu enden und die Deutschförderklassen werden ausgedünnt. Die Frage der Integration ist jedoch mit der Herausforderung von fairen Chancen eng verbunden. Wenn wir es nicht schaffen, für mehr Chancengerechtigkeit und Zukunftsperspektiven für alle Schülerinnen und Schüler zu sorgen, treiben wir die Spaltung unserer Gesellschaft immer weiter voran. Wir müssen die drohende Radikalisierung junger Menschen verhindern – und nicht die Integrationsmaßnahmen kürzen.

Gemeinsam mit unserer NEOS Wien-Chefin Beate Meinl-Reisinger habe ich heute ein Lösungspaket für die anstehenden Probleme und Herausforderungen präsentiert, das auf verschiedenen Ebenen ansetzt:

 

1. Chancenkindergarten: Flügel heben von Anfang an

 

Frühkindliche Förderung hat positive Auswirkungen auf die weitere Bildungskarriere. Insbesondere Kinder aus sozial schwachen und bildungsfernen Familien können von einem Kindergartenbesuch profitieren – das funktioniert in Österreich jedoch nur begrenzt. Das verpflichtende Kindergartenjahr hat bisher keinen nachweisbaren Effekt darauf, dass mehr Kinder von Zuwanderern vor Schuleintritt Deutsch sprechen. Wie gut Kindergarten und andere elementarpädagogische Einrichtungen diese Verantwortung erfüllen, hängt wesentlich von der Ausbildung der Pädagog_innen und der Gruppengröße ab. Leider ist Österreich in beiden Aspekten im europäischen Vergleich ein Nachzügler. Entscheidende Faktoren für einen positiven Einfluss des Kindergartens auf die weitere Bildungskarriere sind erstens die Dauer des Kindergartenbesuchs und zweitens die Qualität des Kindergartens. NEOS fordern:

  • Flächendeckender Ausbau der Kindergärten
  • Elementarpädagogik als Bildungseinrichtung anerkennen
  • Zweites verpflichtendes Kindergartenjahr
  • Qualitätsvolle Umsetzung der verpflichtenden Kindergartenjahre – mit einem einheitlichen, bundesweiten und verbindlichen Qualitätsrahmen
  • Ausbildung von Pädagog_innen aufwerten; verbindliche Mindestqualifikationen erhöhen
  • Betreuungsverhältnis verbessern
  • Indexbasierte Verteilung der Ressourcen – höhere Pro-Kopf-Finanzierung bei niederem Bildungsgrad der Eltern

 

2. Fair verteilte Ressourcen und klarer Handlungsrahmen – die AHS in die Pflicht nehmen

 

Die Integration von jungen Menschen im Schulwesen ist eng mit der Frage nach fairer Chancenverteilung verknüpft. Eine Aufgabe, deren erfolgreiche Bewältigung wesentlich von den Faktoren Zeit und Treffsicherheit der Maßnahmen abhängig ist. Es hat sich bereits mehrfach gezeigt, dass aufgrund der vorhandenen Kompetenzteilung zwischen Bund und Ländern nicht sichergestellt werden kann, dass die im Bildungsbereich bereitgestellten Mittel auch tatsächlich bei den Schüler_innen ankommen. Daher ist es sinnvoller, zusätzliche finanzielle Ressourcen direkt den Schulstandorten – als autonom verfügbares Qualitätsbudget – zur Verfügung zu stellen. NEOS fordert so ein Zusatzbudget, einen „Chancen-Bonus“, für den Bereich der schulischen Integrationsarbeit.

Die Höhe dieses zusätzlichen Budgets wird anhand des Bildungshintergrundes der Eltern der Schüler_innen berechnet: Schulen, die sich verstärkt um Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Elternhäuser kümmern, bekommen zusätzliche Mittel. Um diesen Chancen-Bonus zu erhalten, müssen Schulen zumindest in den letzten beiden Wochen der Ferien Förderkurse in den Hauptfächern anbieten. Zusätzlich gibt es für Schüler_innen, die der Unterrichtssprache Deutsch nicht folgen können, verpflichtende Deutschkurse bereits in den Ferien. Die Kosten dieser Kurse werden vom Bund übernommen. So werden Gymnasien in die Pflicht geholt, für mehr soziale Durchmischung zu sorgen. Bisherige „Brennpunktschulen“ werden damit entlastet. Die Chancengerechtigkeit für Kinder und Jugendliche erhöht sich.. NEOS fordern:

  • Chancen-Bonus von 500 Millionen Euro, für den sich Schulen direkt bewerben können
  • Indexbasierte Verteilung der Ressourcen nach dem Kriterium des Bildungshintergrundes der Eltern
  • Die AHS wird zur stärkeren sozialen Durchmischung angehalten. Nach fünf Jahren erfolgt eine Evaluierung. Bei Nichterreichung einer stärkeren sozialen Durchmischung ist über die Einführung einer verbindlichen Quote nachzudenken.
  • Öffnung der Schulen in den letzten Ferienwochen für freiwillige Förderkurse.
  • Verpflichtende Deutschkurse in den letzten zwei Ferienwochen für die Schüler_innen, die der Unterrichtssprache nicht folgen können.

 

3. Mehr Sozialarbeiter_innen und Schulpsycholog_innen für die Schulen

 

In einer sich ständig verändernden Gesellschaft sehen sich auch Jugendliche mit immer neuen Herausforderungen und Problemen konfrontiert. Damit einhergehend muss sich – in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen der öffentlichen Hand – auch die Schule, der lange Zeit nur eine wissensvermittelnde Rolle im Gesellschaftssystem zugedacht war, mit diesen neuen Herausforderungen auseinandersetzen. Dies beinhaltet u.a. auch das Angebot von Hilfestellungen bei persönlichen Problemen von Schüler_innen. Trotzdem ist die Zahl der Schulpsycholog_innen beim Bund seit dem Schuljahr 2010/11 gesunken: Damals wurden 133 Mitarbeiter_innen (Vollzeitäquivalente) im Schulpsychologischen Dienst verzeichnet, 2016/17 waren es nur noch 124. In Wien gibt es überhaupt nur ca. 74 Schulpsycholog_innen für immerhin 235.000 Kinder. Das ist ein_e Schulpsycholog_in auf 3.175 Kinder.

Bevor wir gegenüber Schüler_innen und Eltern die Strafen verschärfen oder Sanktionen ausbauen, sollte Österreich noch deutlich mehr in den Bereich der Schulsozialarbeit investieren. Hier hinkt unser Land im internationalen Vergleich massiv hinterher. Das Interventionsinstrumentarium muss zudem auch die Möglichkeit der aufsuchenden Sozialarbeit beinhalten. Dort wo Eltern oder auch Schüler_innen nicht bereit sind, mit der Schule zu kooperieren, braucht es Fachpersonal, das – mit der vollen Autorität der Republik ausgestattet – zu den Betroffenen nach Hause geht. NEOS fordern:

  • Flächendeckender Ausbau der Schulsozialarbeit
  • Verstärkung von aufsuchenden Angeboten und verstärkte Kooperation von Schulen mit der institutionellen Sozial- und Jugendarbeit
  • Anstellung der Schulpsycholog_innen im Ministerium
  • Massiver Ausbau der Schulpsychologie – zumindest eine Verdoppelung

 

4. Ethik- und Religionen-Unterricht statt einfältiger Beschwörung einer Leitkultur oder Ignoranz des gesellschaftspolitischen Faktors Religion

 

In einer zunehmend fragmentierten Gesellschaft erreichen traditionelle Formen der Wertevermittlung nur mehr einen Teil der Kinder und Jugendlichen. Ein Unterrichtsfach „Ethik und Religionen“ ermöglicht es allen Kindern und Jugendlichen, gemeinsame Sichtweisen auf die Fragestellungen des Zusammenlebens zu entwickeln, die von demokratischen Grundvorstellungen getragen und von einer kritisch hinterfragenden Position begleitet sind. Ein solcher Unterricht ist ein wichtiger Träger für eine pluralistische, offene und demokratische Gesellschaft. Wissen über Religionen stärkt junge Menschen in ihrer autonomen Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit. Auch wenn Religion Privatsache ist, ist die Auseinandersetzung mit Religionen im schulischen Kontext notwendig. Sie stärkt das wechselseitige Verständnis in unserer pluralistischen Gesellschaft. Das Schulfach soll ein verpflichtendes Unterrichtsfach ab dem ersten Schuljahr sein. Politische und weltanschaulich-religiöse Unabhängigkeit sind wichtige Anforderungen, die auch mit laufenden Evaluierungen zu gewährleisten sind. NEOS fordern:

  • Einführung des Pflichtfaches „Ethik und Religionen“
  • Standardisierte Ausbildung an Hochschulen für entsprechendes Lehrpersonal
  • Der Staat soll die Infrastruktur für konfessionellen Religionsunterricht zur Verfügung stellen und Rahmenbedingungen definieren. Die Organisation und Durchführung liegt bei den Glaubensgemeinschaften.

 

5. Ein Integrationsgipfel abseits von schwarz-blauem Brandbeschleuniger und rot-grüner Vogelstrauß-Politik

 

Wie besonders in Wien zu sehen ist, hat die Arbeit des letzten Integrationsministers nicht viel bewirkt. In der aktuellen Bundesregierung ist Integration zudem kein Thema mehr – es gibt bis heute keine konstruktiven Ansätze und kein klares Bekenntnis für eine inhaltliche Zuständigkeit durch ein Regierungsmitglied. Keine Rede mehr von Integration durch Leistung. Wir hören vom ehemaligen Integrationsminister in seiner Funktion als Bundeskanzler nichts Konstruktives mehr zu den drängendsten Fragen in der Bildungs- und der Integrationspolitik. Bildungsminister Faßmann war zwar jahrelang Vorsitzender des „Expertenrats für Integration“, was er bislang im bildungspolitischen Bereich zur Integration vorgeschlagen oder gemacht hat, ist jedoch mehr als enttäuschend. Karin Kneissl, als Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres, lässt ein inhaltliches Bekenntnis zu ihrer Zuständigkeit für Integration bisher bitterlich vermissen.

In Wien hat die rot-grüne Stadtregierung zudem ein Klima geschaffen, in dem eine offene Diskussion über Probleme im Integrations- und im Bildungsbereich kaum möglich ist. Einige wenige couragierte Personen finden mittlerweile den Mut, sich offen zu Problemen zu äußern. Die Vogelstrauß-Politik von Rot-Grün funktioniert hier nicht mehr.

Es gibt einen Weg zwischen rot-grüner Vogelstrauß-Politik und schwarz-blauem Brandbeschleuniger. Um in der Schicksalsfrage Integration endlich voran zu kommen, braucht es vor allem eines: den Mut Probleme klar anzusprechen, mit Klarheit die Wurzel der Probleme zu benennen, mit Redlichkeit und Aufrichtigkeit an Lösungen für diese Probleme zu arbeiten und deren Erfolg auch zu messen.

NEOS fordern daher einen Integrationsgipfel, der Expert_innen, Stakeholder und Betroffene im Bildungs- und Integrationsbereich an einen Tisch bringt. Dieser Gipfel soll den Auftakt für einen lösungsorientierten Prozess bilden, bei dem auch die staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften einzubinden sind. Wir erwarten hier auch ein entschlossener Auftreten der islamischen Glaubensgemeinschaft für ein Religionsverständnis und eine Religionspraxis, die mit unseren europäischen Grundwerten in Einklang stehen (insbesondere Gleichwertigkeit von Frau und Mann, Rechtsstaatlichkeit über religiösen Regeln, Religionsfreiheit). Wir müssen endlich offen über die unzähligen Probleme im Bildungsbereich, über die drängenden Probleme in der Integration und auch über den politischen Islam reden und gemeinsam Lösungen definieren und umsetzen.

Freiheit statt Schikanen – das brauchen die Klein- und Mittelbetriebe in Österreich

Unternehmerinnen und Unternehmer stehen unter Generalverdacht. Immer noch. Das zeigte nicht zuletzt der Erlass der Sozialministerin Hartinger, in der den Arbeitsinspektoraten eine Mindestquote an Strafen als Zielvorgabe vorgegeben wurde. Auch wenn die Ministerin nach öffentlichem Druck eine Überarbeitung ankündigte – der Leitsatz „Beraten statt Bestrafen“ hat sich ganz offensichtlich noch nicht durchgesetzt. Das ist aber auch in anderen Bereichen zu spüren. Bürokratische Auflagen, komplizierte Behördenwege, die schikanösen Verwerfungen bei der Einführung der Registrierkasse und die Einzementierung der überholten Gewerbeordnung – das sind nur einige jener Hackeln, die den Unternehmerinnen und Unternehmern ins Kreuz gehaut werden.

Auch von der schwarz-blauen Regierung ist noch nichts auf den Weg gebracht, um den 327.000 Klein- und Mittelbetrieben (KMU) in Österreich endlich mehr Freiheit und damit mehr Möglichkeiten zur Entfaltung zu verschaffen. Die Ankündigung einer Deregulierungsoffensive klingt zwar gut, bringt aber den Unternehmerinnen und Unternehmern selbst nichts – da ja Gesetze gestrichen werden sollen, die man ohnehin nicht mehr braucht.

Fazit: Für ÖVP-FPÖ haben die Klein- und Mittelbetriebe, die das Rückgrat unserer Wirtschaft bilden, keine Priorität. Dabei befinden sich die Klein- und Mittelbetriebe in einer Situation, in der sie einerseits durch bürokratische Gängelung drangsaliert und andererseits im Bereich der Finanzierung mit wachsenden Hürden konfrontiert werden.

Wenn Kleine und Mittlere Unternehmen nicht investieren können, dann stirbt über kurz oder lang die ganze Region – und der Tischler vor Ort wird dann auch keinen Nachfolger finden. Unternehmensübergaben sind auf rund 6900 pro Jahr gestiegen, Tendenz weiter steigend. Durch den demographischen Wandel entsteht noch höherer Handlungsbedarf. Laut einer Studie der KMU-Forschung stehen in den kommenden zehn Jahren 45.700 kleine und mittlere Arbeitgeberbetriebe vor der Herausforderung, eine geeignete Eigentümer-Nachfolge für ihr Unternehmen zu organisieren. Erfolgreiche Übergaben würden in diesem Zeitraum mehr als 450.000 Arbeitsplätze sichern. Das sind 30 Prozent aller in Klein- und Mittelbetrieben Beschäftigten.

Damit diese Übergaben gelingen können, braucht es insbesondere auch entsprechende Finanzierungen. Hier ist es schon fünf nach zwölf. Im Bereich der Finanzierung sind mehr als Bankkredite notwendig, die ohnehin immer restriktiver vergeben werden und zudem zu einem höheren Fremdkapital-Anteil im Unternehmen führen, was die unternehmerische Flexibilität potenziell einschränkt. Marktsegmente wie Private Equity, Venture Capital, Aktien- und Anleihenmärkte sind in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern deutlich unterentwickelt.

Österreichs Klein- und Mittelbetriebe brauchen einen durchdachten Katalog an Maßnahmen, die ihnen mehr Freiheiten geben, um sich entfalten zu können. Diese Unternehmen sind das Rückgrat der heimischen Wirtschaft, ihre Anliegen und Bedürfnisse sind aber auch unter der schwarz-blauen Regierung bis jetzt zu kurz gekommen.

NEOS schlagen daher vor:

  1. Senkung der Lohnnebenkosten: Damit Unternehmen mehr Luft zum Atmen bekommen, zusätzliche Investitionen tätigen und dadurch neue Jobs schaffen können, müssen die Lohnnebenkosten endlich gesenkt werden. NEOS haben bereits vorgerechnet, wie man die Lohnnebenkosten um 4,8 Milliarden Euro senken kann – unter anderem durch die Streichung der Kommunalsteuer (bringt rund drei Milliarden Euro) und die Halbierung der Kammerumlage 2 (bringt jedenfalls 350 Millionen Euro).
  2. Förderung alternativer Finanzierungsformen durch den Abbau bestehender Überregulierungen – Unternehmer_innen und Investor_innen brauchen die Möglichkeit flexibler und kreativer Finanzierungsformen sowie einfachere Zugänge zur Börse (Stärkung des „dritten Marktes“ an der Wiener Börse).
  3. Steuerliche Gleichstellung von Fremd- und Eigenkapital: Die Einführung eines fiktiven Zinssatzes würde die steuerliche Abzugsfähigkeit von Eigenkapital ermöglichen und wäre ein starker Anreiz für die Eigenkapitalbildung.
  4. Reduktion der Wertpapier-KESt auf 25%. Dividendenzahlungen, Zinskupon-Zahlungen bei Anleihen und Kursgewinne werden immer noch höher besteuert als das Sparbuch. Das senkt die Attraktivität von Investitionen am Kapitalmarkt.
  5. Ausbau von Mitarbeiter-Beteiligungen: Höhere Freibeträge bei Mitarbeiterbeteiligung. Auch brauchen KMUs Erleichterungen und Rechtsklarheit für den Einsatz von Mitarbeiterbeteiligungsmodellen. Gehaltszahlungen sollen (freiwillig) auch in Form von Geschäftsanteilen ausbezahlt werden können.
  6. Degressive Abschreibung ermöglichen, damit sich Investitionen rascher amortisieren.
  7. Erhöhung der Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter (auf 1.500 Euro): Dass ein Laptop über mehrere Jahre abgeschrieben werden muss, erscheint nicht mehr ganz zeitgemäß.
  8. Herstellung von Transparenz bei allen Gebietskörperschaften und Vereinfachung für Unternehmen durch die Abschaffung besonders verwaltungsaufwendiger Gemeinde- und Landesabgaben (Beispiele: Vergnügungssteuer oder die Wohnbauabgabe, deren Verländerung 2017 beschlossen wurde, die aber keine klassische Länderabgabe ist).
  9. Eine gezielte und verstärkte Finanz- und Wirtschaftsbildung bereits in den Schulen mit dem Ziel „mündige Bürger_innen“ (vgl. Regierungsprogramm Nordrhein-Westfalen: dort wurde das Schulfach Wirtschaft eingeführt).
  10. Streichung der Kammerumlage 2 der Wirtschaftskammer (zumindest 350 Millionen Euro pro Jahr; die Umlage wurde im Jahr 1979 mit dem Versprechen auf vorübergehende Einhebung eingeführt) und Halbierung der Arbeiterkammer-Beiträge.

Wo bleibt die Chancengerechtigkeit für die jungen Menschen in Österreich?

„Das Bildungssystem ist grundsätzlich gut aufgestellt. Es braucht nur Maßnahmen im Detail, um das System noch leistungsfähiger zu machen.“ Das sind die Worte von Bildungsminister Heinz Faßmann im Rahmen seiner ersten Parlamentsrede im Jänner 2018. Nur mit diesem Grundverständnis lässt sich erklären, dass der Bildungsminister zwar eine Reihe von Einzelmaßnahmen präsentiert, von echter Chancengerechtigkeit für die jungen Menschen in Österreich aber immer noch nicht die Rede sein kann. Deutschklassen und Strafen für Schulschwänzer sind dafür einfach zu wenig.

Immerhin stellt Faßmann mittlerweile auch Überlegungen an, die in Richtung Sozialindex/Chancenbonus führen könnten. Doch auch hier ist sein fehlendes Basisverständnis für die zugrundeliegende Herausforderung zu befürchten: Sollte der Bundesminister diesen Index tatsächlich so ausgestalten will, dass er ihn nur auf die Neuen Mittelschulen bezieht, wäre es an Ignoranz nicht zu überbieten. Denn offensichtlich ist, dass wir gerade auch die Gymnasien stärker auf soziale Durchmischung verpflichten müssen, sonst schreitet die Spaltung der Gesellschaft weiter voran. Und dies wird irgendwann in „brennenden Gartenzäunen“ münden – als Ausdruck für nicht vorhandene Chancen einer „Generation von Abgehängten“.

Für jede Bundesregierung müsste klar sein: Bildung ist der Schlüssel zur Entfaltung, zu einem freien und selbstbestimmten Leben. Einem Leben, in dem unsere Kinder Chancen selbstständig erfassen und nutzen können sollen. Im Mittelpunkt eines chancengerechten Bildungssystems stehen die Kinder und Jugendlichen mit ihren Talenten und Potenzialen und nicht die Frage „Was machen dein Papa und deine Mama?“.

Es sind vor allem folgende fünf Punkte, die unter dieser schwarz-blauen Bundesregierung echte Chancengerechtigkeit für alle Schülerinnen und Schüler verhindert:

  1. Soziale Durchmischung unerwünscht – Brennpunktschulen werden zementiert.
  2. Fehlende Entschlossenheit bei Qualitätssicherung der Kindergärten.
  3. Fokus auf Sprache: Mehr Fragezeichen als Antworten.
  4. Lehrermangel: Zu wenig Planungsqualität und Durchlässigkeit.
  5. Bildungspolitik bleibt Machtpolitik: Es regiert weiter das Parteibuch.

 

Soziale Durchmischung nicht erwünscht

Welche Bildungskarriere und damit auch welchen beruflichen Lebensweg junge Menschen einschlagen, das hängt immer noch vorwiegend davon ab, was ihre Mütter und Väter sind – und nicht, was ihre Talente sind. Daran wird sich bei Schwarz-Blau auch nichts ändern. Damit liegt die Lösung auf der Hand: ein Ende des Stellungskampfes, statt dessen eine Mittlere Reife als gemeinsames Ziel und eine Mittelschule der Vielfalt. Statt des Sortierens von 9-jährigen Kindern in zwei Töpfe bekämen wir Mittelschulen so vielfältig wie die Talente unserer Kinder – gemeinsames Ziel, unterschiedliche Wege. Freie Schulwahl ohne Schulgeld für Kinder, Jugendliche und Eltern – mit Einbeziehung und Gleichberechtigung der freien Schulen (ohne Schulgeld). Doch das wollen ÖVP und FPÖ nicht – über das Gymnasium wird die Käseglocke gestülpt. Und damit bleibt alles gut? Glauben offenbar Kurz und Strache – und leider wohl auch der Wissenschaftler Faßmann.

Das ist ein Irrglaube. Natürlich leisten die Gymnasien gute Arbeit, bei wenig Geld. Aber das Verhindern, dass auch Gymnasien beim Thema soziale Durchmischung in die Ziehung kommen, gibt Brennpunktschulen weiter Auftrieb und treibt die Spaltung der Gesellschaft weiter voran.

Ohne konkrete Anreiz-Instrumente für soziale Durchmischung und zusätzliches Geld dafür werden die Herausforderungen im Bildungsbereich nicht zu bewältigen sein. NEOS fordern ein umfassendes Chancen- und Innovationspaket für unsere Schülerinnen und Schüler, mit dem wir 500 Millionen Euro zusätzlich investieren (die Gegenfinanzierung ist im NEOS-Steuerreformkonzept dargelegt).

  • Echter Chancenbonus für Österreichs Schulen. Alle staatlichen und staatlich mitfinanzierten Schulen können ein Zusatzbudget lukrieren, über das sie autonom verfügen können. Die Kriterien zur Berechnung dieses zusätzlichen Budgets: Der Bildungshintergrund der Eltern. Diese Maßnahme soll als Anreiz für Schulen verstanden werden. Schulen wird kein Geld weggenommen, sie bekommen zusätzliches Budget, wenn sie Kinder mit einem niedrigeren Bildungshintergrund fördern.
  • Gleichstellung freier Schulen mit konfessionellen Schulen mit einem gemeinsamen Qualitätsrahmen. Freie Schulen können für einen echten Innovationsschub im Schulsystem sorgen – nicht zuletzt durch ihre umfangreichen Erfahrungen mit Autonomie.
  • Verpflichtende Deutsch-Förderkurse und freiwillige Förderkurse in den letzten Ferienwochen. Schulen, die sich um einen Chancenbonus bewerben, müssen in den letzten beiden Ferienwochen Förderkurse in zumindest den Gegenständen Deutsch, Mathematik und Englisch anbieten. Für die Schülerinnen und Schüler, die der Unterrichtssprache Deutsch nicht folgen können, sind verpflichtende Deutsch-Förderkurse in den letzten beiden Ferienwochen an den Schulen zu besuchen. Werden die Kurse nicht besucht, dann gibt es Konsequenzen in Form eines Abzugs bei der Familienbeihilfe. (Anm.: Das ist freilich nur ein Puzzle-Teil im Rahmen einer Sprachförderungsoffensive.)

 

Fehlende Entschlossenheit bei Qualitätssicherung der Kindergärten

Eine hohe Qualität im Kindergarten stellt sicher, dass alle Kinder die Grundlagen für ein gelingendes Leben voller Chancen bekommen. Wie gut Kindergärten und andere elementarpädagogischen Einrichtungen diese Verantwortung erfüllen, hängt wesentlich von der Ausbildung der Pädagoginnen und Pädagogen sowie den Gruppengrößen ab. In beiden Aspekten ist Österreich Nachzügler im europäischen Vergleich.

Neben dem quantitativen Ausbau von elementaren Bildungseinrichtungen braucht es endlich auch einen einheitlichen Rahmen für den qualitativen Ausbau: Wir brauchen verlässliche Qualität statt Länder-Willkür und planlosem Wildwuchs. Die Finanzierung sollte einheitlich durch den Bund erfolgen und aus einer Pro-Kopf-Finanzierung bestehen – ergänzt um einen Sozialindex, um besonderen Herausforderungen am Standort adäquat begegnen zu können. So profitieren nicht nur individuell alle Kinder, es komme auch zu einer sozialen Durchmischung, die „Kindergarten-Ghettos“ verhindert.

Auf Initiative von NEOS wurde in der vorletzten Nationalratssitzung vor der Wahl 2017 eine All-Parteien-Einigung für einen einheitlichen Qualitätsrahmen für Kindergärten beschlossen. Jetzt muss rasch ein Konzept erarbeitet und umgesetzt werden. Weiters haben sich die Bundesländer bei Abschluss der 15a-Vereinbarung verpflichtet, jährlich dem Bund Auskunft zu geben, was mit den im Elementarpädagogik-Bereich zusätzlich investierten Geldern passiert ist – wie viele Betreuungsplätze wo geschaffen wurden, wie die Öffnungszeiten aussehen, die Gruppengrößen etc. Eine Anfragebeantwortung zeigt jedoch, dass der Bund nicht über alle Details Bescheid weiß oder diese Informationen dem Parlament nicht zur Verfügung stellen will. Beide Varianten sind alles andere als erfreulich.

 

Fokus auf die Sprache – mehr Fragezeichen als Antworten

Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen sollen also in eigenen Förderklassen unterrichtet werden, der Kontakt zur Regelklasse gleichzeitig erhalten bleiben. Auch wenn das grundsätzlich positiv klingt, mehr ist nicht bekannt von den Plänen des Bildungsministers. Detailfragen, wie man beispielsweise mit der Muttersprache umgehen soll, sind nach wie vor unbeantwortet – dabei ist erwiesen, dass nur die Schüler_innen, die in der eigenen Sprache lesen und schreiben können, auch rasch Deutsch lernen. Nur mit Wertschätzung und Kultivierung der Muttersprache ist ein Sprungbrett für gutes Deutsch vorhanden.

Auch bleibt vorerst unbeantwortet, wie die Handhabung in Brennpunktschulen stattfinden soll: Dort werden bis zu 90 Prozent der Schüler_innen aus der Regelklasse genommen? Damit entsteht eine „neue“ Regelklasse und von einem integrativen Ansatz kann dann wohl nicht mehr gesprochen werden. Zu Recht wird der Schnellschuss des neuen Bundesministers von Praktiker_innen und Expert_innen skeptisch betrachtet. Er ist schlichtweg noch völlig unausgegoren. Von einer Bundesregierung ist hier mehr zu erwarten – vor allem auch die Einbindung von Fachleuten. Zu diesem Thema gibt es klare wissenschaftliche Befunde. Gerade von einem Vizerektor als Bildungsminister wäre zu erwarten, dass er auch evidenzbasierte Politik macht.

Insgesamt bleibt vorerst offen, mit welcher Haltung diese Vorhaben „Deutschklassen“ umgesetzt werden soll: Geht es der Regierung um einen Ausschluss dieser Schülerinnen und Schüler – dann sind wir NEOS entschlossen dagegen. Geht es aber um effektive Hilfestellung für rasche Integration, dann ist diese Maßnahme temporär und mit gezielter Einbindung in die Regelklasse vorstellbar. Und Einigkeit sollte darüber bestehen, dass die Aneignung der gemeinsamen Unterrichtssprache Deutsch vor allem im Kindergartenalter ein zentrale Schwerpunkt sein muss (s. oben).

 

Lehrermangel – zu wenig Planungsqualität und Durchlässigkeit

Wir brauchen mehr Lehrerinnen und Lehrer. Und: Wir wollen den Lehrberuf zum wichtigsten Job der Republik machen. Es braucht mehr Wertschätzung für die Rolle der Lehrperson. Sie sind „Bildungsexpert_innen der Praxis“, die eigenverantwortlich Entscheidungen treffen sollen und müssen. Im Zentrum einer gelingenden Schule stehen die Kinder und Jugendlichen, ein differenziertes Berufsverständnis der Pädagog_innen und mehr Freiheit und Verantwortung.

Das Lehramtsstudium soll dafür mit einem vielschichtigen, qualitätsorientierten Aufnahmeverfahren ausgestattet werden. Dieses zielt verstärkt auf soziale Kompetenzen ab. Um die bestmöglichen Expert_innen aus der Praxis zu gewinnen, bedarf es eines flexibleren Gehaltssystems, das sich an den branchenüblichen Gehaltsniveaus orientieren kann. In Zusammenarbeit mit dem AMS sollen Wege eröffnet werden, die ermöglichen, dass man aus dem Lehrer_innenberuf besser als bisher in andere Berufe umsteigen kann. Berufliche Veränderung darf nicht als Scheitern verstanden werden und der Eintritt in den Lehrer_innenberuf nicht als Einbahnstraße.

Regionale Phänomene von Lehrer_innenmangel, die bereits derzeit auftreten, sind durch eine bessere Zusammenarbeit des Bundesministeriums und der Landesregierungen und Landesbildungsdirektionen untereinander zu kontern. So leidet Vorarlberg derzeit an einem eklatanten Lehrer_innenmangel, während Tirol einen Überschuss und lange Wartelisten hat. Die Vorarlberger Landesregierung war aber bisher nicht bereit, das Problem zuzugeben. Und damit gab es bisher auch keine Lösung, was zu gewaltigen Frustrationen bei Schulleitungen und im Lehrkörper führt. NEOS ist hier derzeit engagiert, entsprechende Kooperationen anzustoßen.

Wichtig ist auch, zu verstehen, dass das Lehrerdienstrecht in der derzeitigen Form weder zeitgemäß noch funktional ist. NEOS stehen für die Einführung eines bundesweiten Rahmenkollektivvertrages für alle Mitarbeiter_innen (nicht nur Lehrer_innen) an den Schulen.

 

Bildungspolitik bleibt Machtpolitik – es regiert weiter das Parteibuch

Bildungspolitik bleibt Machtpolitik. Was für die letzten Regierungen galt, bleibt offensichtlich auch für Schwarz-Blau gültig. Das Thema „Parteipolitik raus aus den Schulen“ wird von Kurz und Strache nicht einmal gestreift – die neu zu bildenden Bildungsdirektionen bleiben einer parteipolitischen Logik unterworfen. Und damit werden weiter die Landeshauptleute in den Klassenzimmern stehen – allerdings mit dem Parteibuch und nicht mit dem Schulbuch. Schwarz-Blau werden den Zugriff auf Direktor_innenbestellung, Lehrer_innen-Zuteilung und schulische Infrastrukturentscheidungen nicht den Interessen von Schüler_innen, Lehrer_innen und Eltern unterwerfen, sondern ihrem parteipolitischen Kalkül. Das ist und bleibt ein Elend und die gewaltigste Innovationsbremse, die vorstellbar ist.

Wenn auch nur ein kleiner Wille von Schwarz-Blau bestünde, an dieser Situation etwas zu ändern, dann ließe sich das sehr leicht bewerkstelligen. Wir NEOS werden dazu – wie zu allen anderen erwähnten Punkten – entsprechende Veränderungs- und Gestaltungsvorschläge im Nationalrat einbringen.

Raus mit der Parteipolitik aus dem ORF! Her mit einer Reform!

Die derzeitigen Angriffe einer Regierungspartei auf den ORF und deren Duldung vonseiten des Kanzlers und des zuständigen Ministers machen erneut deutlich, dass es endlich eine echte Entparteipolitisierung des ORF braucht. Das Ziel einer Reform muss sein, den ORF als öffentlich-rechtliches Medienhaus zu stärken und ihn zugleich von seinem Dasein als Spielball der parteipolitischen Interessen zu befreien. Parallel zu einer ORF-Reform ist in eine Neuregelung der Medienförderung vorzunehmen. Dazu gehört insbesondere eine deutlich höher dotierte Medienförderung NEU. Im Gegenzug ist die Gängelung der Medien durch Regierungsinserate zu beenden. Damit wird die Freiheit der Medien gestärkt. Die Freiheit der Medien ist eine essentielle Grundlage, um unsere liberale Demokratie vor dem Abdriften in eine gelenkte Demokratie zu bewahren. Für eine funktionierende Demokratie ist ein unabhängiger und von Meinungsvielfalt geprägter Mediensektor fundamental wichtig.

 

Schluss mit der Einschüchterung von Journalist_innen durch Regierungsspitzen

Für NEOS sind die Einschüchterungsversuche gegenüber Journalist_innen durch die Spitzen der FPÖ völlig inakzeptabel. Die konzertierten, persönlichen Angriffe von Journalist_innen durch mehrere FPÖ-Mandatsträger – bis hin zum Vizekanzler – sind eine bewusste Eskalation. Durch psychischen Druck wird versucht, die Selbstzensur von Journalist_innen anzuspornen. Zudem soll der ORF „sturmreif geschossen“ werden, um im Rahmen einer anstehenden Reform den parteipolitischen Einfluss der Regierungsparteien weiter auszubauen.

 

Raus mit der Parteien-Dominanz aus dem ORF

Eine Reform des Öffentlich-Rechtlichen ist wichtig, um diesem einen zeitgemäßen Handlungsrahmen zu geben. Leider hat die letzte Regierung in diesem Punkt versagt. Klar ist für NEOS: Die Entparteipolitisierung des ORF muss die Basis für jede ORF-Reform sein. Ohne sie kann eine Reform des ORF nicht funktionieren, weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk sonst ein politischer Spielball der Regierungsparteien bleibt, die über ihre absolute Mehrheit im Stiftungsrat freien Handlungsspielraum haben.

Der ORF ist Österreichs größtes Medienhaus und hat die immens wichtige Aufgabe, für die österreichische Öffentlichkeit objektive Information zur Verfügung zu stellen. Die politische Unabhängigkeit des ORF ist jedoch nicht gegeben, wenn das wichtigste Entscheidungsgremium im ORF – der Stiftungsrat – von Parteienvertreter_innen dominiert wird, die in ihren parteipolitischen „Freundeskreisen“ vor allem parteipolitischen Interessen folgen. Wir fordern eine Gremienreform, um den parteipolitischen Einfluss im ORF zurück zu drängen und erneuern unsere Forderung umso vehementer: Raus mit den Parteien aus dem ORF!

 

Her mit einer zeitgemäßen Governance-Struktur

NEOS fordern einen politisch unabhängigen Aufsichtsrat. Der ORF soll strukturell ähnlich einer Aktiengesellschaft aufgestellt werden. Publikums- und Stiftungsrat werden durch zeitgemäße Governance-Strukturen ersetzt und nicht mehr von parteipolitischer Logik dominiert. Eine Eigentümerversammlung – vergleichbar einer Hauptversammlung – setzt sich durch „ausgeloste Freiwillige“ (d.h. Personen aus der Bevölkerung) sowie Repräsentant_innen von Institutionen der Zivilgesellschaft und der Parlamentsparteien zusammen (pro Klub mindestens eine Person; jedenfalls stellen die Parteienvertreter_innen eine Minderheit dar). Die Eigentümerversammlung wählt auf Basis von Ausschreibungen und Hearings einen Aufsichtsrat. Dieser bestellt einen Vorstand, der als Kollegialorgan aus mehreren Vorständen besteht, um nachhaltige Führungsqualität zu gewährleisten (inkl. einem/r Vorstandsvorsitzenden, jedoch ohne Einzelgeschäftsführung).

 

Es braucht eine faire Medienförderung NEU

Die momentane Dotierung der Medienförderung ist im internationalen Vergleich überaus gering und lässt Medien am Tropf der viel zu hohen Inseratausgaben hängen. Im Regierungsprogramm findet sich zum Thema Medienförderung kein Wort, obwohl es vor der Wahl bereits einen Konsens über ihre grundsätzliche Erhöhung gab. NEOS fordern daher rasch die Umsetzung einer Medienförderung NEU, die die Freiheit der Medien stärken soll.

Die Medienförderung NEU soll einem universellen, kanalunabhängigen Ansatz einer Public-Value-Inhalteförderung folgen. Gefördert wird nicht der Erhalt von Infrastruktur zur Verbreitung von Medienerzeugnissen, sondern journalistischer Content mit gesellschaftlichem Mehrwert – der so genannte „Public Value“. Die Förderung kann von allen Medien beantragt werden und soll entlang klar definierter Kriterien erfolgen (z.B. überprüfbare und nachvollziehbare Quellenangaben, journalistische Ausbildungsqualität, Trennung von redaktionellem Inhalt und wirtschaftlichen Interessen Dritter).

 

NEOS werden bereits im nächsten Plenum am 28. Februar sowohl Anträge für eine deutlich höhere Medienförderung, als auch zur Entparteipolitisierung des ORF einbringen.

Warum dieses Regierungsprogramm für Österreich nicht genügt

Die jetzigen Regierungsparteien versprachen vor den Wahlen echte Leuchtturmprojekte, mutige Reformen und Zeit für Neues. Nun liegt ein Regierungsprogramm vor – die Prosa ist insgesamt 180 Seiten stark. Von den versprochenen neuen, mutigen Reformen ist nicht viel übrig geblieben. Manchmal sogar im Gegenteil – die Vorstellungen von Schwarz-Blau sind schlicht rückschrittlich.

Das vorliegende Regierungsprogramm lässt sich kurz zusammenfassen: es ist nicht ambitioniert und es ist unverbindlich. Die 180 Seiten mögen – wie es Regierungsprogramme an sich haben – wohlklingend formuliert sein. Mitunter finden sich auch positive Ansätze – z.B. nun endlich die von NEOS geforderte Scharfstellung der Transparenzdatenbank mit Sanktionen für Landeshauptleute, die Transparenz verweigern (beharrliche Oppositionsarbeit lohnt sich!). Doch vielerorts zeigt sich inhaltliche Unverbindlichkeit oder es wird auf noch ausstehende Evaluierungen verwiesen. Fast durchgängig fehlen konkrete Zeitleisten. Wenn eine Regierung ihre Vorhaben jedoch nicht ausreichend konkret formuliert und sich diese nicht innerhalb eines klar definierten Zeithorizonts vornimmt, dann – so zeigt die Erfahrung – werden sie oft auch nicht umgesetzt. Bei einigen Themen werden wir froh sein, wenn sie nicht in die Welt kommen (z.B. Fantasien in Richtung Überwachungsstaat), bei anderen bräuchten wir dringend eine Regierung mit einem echten Willen für Reformen.

 

Die Pläne, die trotz aller Unverbindlichkeit durchklingen, zeigen Versäumnisse insbesondere in drei Bereichen:

 

  • Die Freiheit des Einzelnen steht nicht auf der Prioritätenliste der Regierung. So werden Versprechen auf Entlastung der Bürger_innen (z.B. Abschaffung Kalte Progression) und auf Abschaffung des Kammerzwangs von FPÖ und ÖVP gebrochen. Der Bildungsbereich wird nicht dazu beitragen, die Talente der Kinder in den Vordergrund zu stellen, und nicht einmal das Kapitel Ausbau der direkten Demokratie (bis zuletzt eine Kernforderung von der FPÖ) wird für mehr Freiheit sorgen – zu mutlos sind hier die Ankündigungen.
  • Nachhaltigkeit ist ebenso wenig Thema. Weder kommt eine Reform für ein enkelfittes Pensionssystem – hier fehlt jeglicher Reformansatz –, noch sind innovative oder progressive Ansätze beim Thema Umwelt sichtbar, wie etwa eine wirtschaftsfreundliche und innovationsfördernde CO2-Steuer.
  • Und drittens die Rechtsstaatlichkeit. Wie ernst es Schwarz-Blau mit der Rechtsstaatlichkeit meinen, bleibt noch abzuwarten. Das völlige Auslassen in Sachen Informationsfreiheitsgesetz und die Fantasien in Richtung Überwachungsstaat lassen hier sämtliche Alarmglocken schrillen.

 

Wir NEOS werden hier von Beginn an kritisch und wachsam sein, und wir werden die so wichtigen Werte Freiheit, Nachhaltigkeit und Rechtsstaatlichkeit vehement verteidigen. Wir verstehen uns als…

 

  • Kontrollpartei. Wir werden entschlossen gegen strukturelle Korruption, Parteibuchwirtschaft und Steuergeldverschwendung auftreten. Wir werden hier der Stachel im Fleisch der Regierung sein. Gerade angesichts der Erfahrungen mit Schwarz-Blau in den 0er Jahren mahnen hier zu großer Wachsamkeit, damit Schaden von den Bürgerinnen und Bürgern abgewendet werden kann.
  • Hüterin der Verfassung. Wir sind uns unserer Verantwortung für mögliche 2/3 Mehrheiten bewusst. Bei jedem Angriff auf Bürger_innenrechte und Freiheitsrechte werden wir eine Stopptafel aufstellen. Jedem Anflug von Orbanisierung unseres Landes werden wir entschlossen die Stirn bieten.
  • Reformturbo. Wir werden von der ersten bis zur letzten Stunde anpacken und Lösungen präsentieren. Wir NEOS vermissen im Regierungsprogramm mutige Reformen und Leuchtturmprojekte. Wir werden unsere Themen mit Nachdruck positionieren und so Veränderungsdruck erzeugen.

 

Hier die größten Enttäuschungen in Schwarz-Blau, gegen die wir ankämpfen werden:

Die schwarz-blaue Regierung zeigt sich in Sachen Bildung völlig uninspiriert: Das Bildungskapitel atmet viel „Zucht, Ordnung und Sanktionen“. Besonders bitter ist das Einschränken der ohnehin geringen Autonomie-Spielräume für Lehrer_innen und Eltern – z.B. durch die zwangsweise Verordnung von Ziffernnoten in den ersten drei Volksschuljahren. Derzeit können diese im Einvernehmen zwischen Lehrer_innen und Eltern durch alternative Feedbacksysteme ersetzt werden. Dazu gab es in den letzten Jahrzehnten 2.000 Schulversuche, die sich bewährt hatten und jährlich verlängert wurden. Damit soll Schluss sein – reformpädagogische Ansätze werden zurückgedrängt. Das ist vor allem eines: retro und dumpf. Eine echte Bildungswende stellt die Talente unserer Kinder in den Mittelpunkt und gibt beherzten und engagierten Pädagog_innen Freiheit und Verantwortung. Eine echte Bildungswende schafft es, dass Kinder und Jugendliche ihre Talente und Zukunft selbst in Hand nehmen und sich frei entfalten können. Eine echte Bildungswende besteht aus mehr als nur Noten ab der ersten Klasse Volksschule. Das scheint Schwarz-Blau aber nicht so wichtig zu sein – sonst stünde das klar und deutlich im Regierungsprogramm.

Das – vorläufige? – Aufrechterhalten der Kalten Progression zählt zu den größeren Enttäuschungen des Regierungsprogramms. Rot-Schwarz hatte die Abschaffung angekündigt, auch Blau wollte diese heimliche Steuererhöhung streichen. Die diesbezüglichen Anträge von NEOS wurden noch im Sommer 2017 mit Hinweis auf eine Umsetzung direkt nach den Wahlen abgelehnt.  Doch was liest sich jetzt im Programm von Kurz und Strache? Sie prüfen eine Abschaffung. „Prüfen“ heißt nichts anderes als „schauen wir mal“. Doch da gibt es nichts mehr zu prüfen. Die Fakten liegen auf dem Tisch. Die meisten EU-Staaten haben diese Zumutung gegenüber den Steuerzahler_innen längst abgeschafft. Den Menschen wird von der Regierung jährlich – still und heimlich – mehr Geld aus ihren Taschen gezogen. Sie werden weiter eingeschränkt, der Gürtel muss enger geschnallt werden. Da gibt es kein „schauen wir mal“. Die Kalte Progression gehört weg!

Das gilt im Übrigen für die gesamten Steuerpläne der Regierung. Vage, in Nebel gebettete Ankündigungen allein sind zu wenig. Dabei hat die frisch angelobte Regierung einen großen Vorteil: Die Steuereinnahmen sprudeln aktuell wie arabische Ölquellen. Alleine heuer werden die Steuerbeiträge der Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen um rund fünf Prozent höher sein als im letzten Jahr. Der Aufschwung ist da. Und aus dieser Position der Stärke sollte man in echte Reformen gehen. Doch was lesen wir im Programm: Mutlosigkeit, fehlende Ambitionen, Phrasendrescherei. So lassen sich keine Reformen umsetzen, um für die Steuerzahler_innen sowie Unternehmer_innen mehr finanziellen Freiraum zu schaffen.

Kommen wir zum Thema Pensionen: Dass NEOS für „enkelfitte Sozialsysteme“ stehen, ist unbestritten. Dass die ÖVP im Wahlkampf auch massiv mit dem Label „enkelfit“ geworben hat, allerdings auch. Von enkelfit ist jetzt aber nichts mehr zu sehen. Im Gegenteil. Maßnahmen wie eine Mindestpension von 1.200 Euro klingen freilich verlockend, doch sie verschärfen die Schieflage des Pensionssystems. Die Gegenfinanzierung fehlt kurz-, mittel- und langfristig. Und das ist das Gegenteil von „enkelfit“. Der kommenden Generationen werden weitere Steine in den Rucksack gelegt. Die Jungen können sich nicht mehr auf das Pensionssystem verlassen, weil es so nicht halten wird. Gewissheit besteht für sie allerdings bezüglich steigender Schulden – auch in den nächsten Jahren. Eine heftige Einschränkung der Freiheit unserer Kinder und Enkelkinder.

Nächstes Beispiel Informationsfreiheitsgesetz. Wir sind eine der letzten Demokratien auf dieser Welt, die noch das Amtsgeheimnis als gesetzliche Vorgabe haben. In Österreich wird Information vor den Bürgerinnen und Bürgern grundsätzlich geheim gehalten. In modernen Demokratien gilt hingegen schon längst der Grundsatz: Alle Informationen sollen grundsätzlich zugänglich sein, es sei denn, es gibt punktuell ein begründetes Interesse der Republik auf Geheimhaltung (z.B. in militärischen Angelegenheiten). Wir NEOS wollen den gläsernen Staat, nicht die gläsernen Bürger_innen. Dieses Bekenntnis gab es von Rot-Schwarz  zumindest im Regierungsprogramm; die Umsetzung wurde immer wieder verschoben. Unter Schwarz-Blau findet das Ansinnen nicht einmal mehr Eingang ins Regierungsprogramm.

Bleibt die direkte Demokratie als ein angeblicher Zankapfel in den Regierungsverhandlungen. Wilde Spekulationen wurden hier lanciert. Im Zentrum stand immer die Idee, dass Bürger_innen stärker in demokratische Prozesse eingebunden werden sollen. Das Regierungsvorhaben ist aber ein mehr als fauler Kompromiss und eine Augenauswischerei. Einen Stufenplan mit einem Ausbau der direktdemokratischen Instrumente zuerst auf Gemeinde und Landesebene und sodann im Bund – der politisch „hysterischsten“ Ebene – einzuführen, würde Sinn machen. Doch eine Einführung ans Ende der Legislaturperiode zu verschieben, wo das Vorhaben erfahrungsgemäß verunfallen wird, das bedeutet: man will nicht. Dann soll man das aber auch so sagen und den Menschen nichts vorgaukeln. Wir NEOS sind davon überzeugt, dass echte Bürger_innenbeteiligung gestärkt werden muss. Demokratie soll nicht heißen, nur einmal in fünf Jahren „hü oder hott“ zu sagen. Das geht 2018 folgend moderner, innovativer, transparenter, partizipativer und inklusiver. Wir werden dazu im ersten Quartal 2018 konkrete Vorschläge auf den Tisch legen und im Nationalrat die entsprechenden Anträge einbringen.

Abschließend ein persönlicher Schmerz und eine große Sorge um die Zukunft unserer Generation und die unserer Kinder – die Doppelzüngigkeit dieser Regierung in Sachen Europa: Bei der FPÖ tun sich bereits am Tag der Angelobung Widersprüche auf, die Kanzler Kurz ganz offenbar nicht bereit ist zu kommentieren. Dass am gleichen Wochenende, an dem Kurz und Strache am Kahlenberg ihr Bekenntnis zu einem gemeinsamen Europa proklamieren, ein Europa-Abgeordneter der FPÖ beim Treffen der Rechtspopulisten in Prag dabei ist, bei dem das Ende der EU gefordert wird, das verursacht tiefe Beklemmung.

Ein Papierstück zu einem gemeinsamen Europa ist schnell verfasst. Doch an den Taten werdet ihr sie erkennen. 1. Österreichische Regierungsparteien sollten nicht Orban als Vorbild haben, denn er bekennt sich ausdrücklich zum Ende der liberalen Demokratie und propagiert explizit eine illiberale Demokratie. Demnach hält er es auch für legitim, Druck auf freie Medien und Universitäten auszuüben, so ihm diese zu kritisch erscheinen. Das ist nicht der Geist der Freiheit, dem sich die Europäische Union verpflichtet hat. Das sind Zustände, die wir in Österreich nicht wollen. 2. Österreichische Regierungsparteien sollten nicht Le Pen, Wilders und die AfD als politische Freunde haben. Sie propagieren offen die Zerstörung des europäischen Gemeinschaftswerkes. Solange die FPÖ im Europäischen Parlament in der Fraktion der Rechtsextremen und Rechtspopulisten Mitglied ist, gemeinsam mit Marine Le Pen und Gert Wilders, solange kann man wohl den plakativen Worten in der Regierungserklärung in Sachen Europa keinen Glauben schenken. Die FPÖ ist und bleibt in der Europafrage eine gefährliche Drohung. An dem Tag, an dem der Wind dafür günstig steht, werden sie wieder den Öxit betreiben. So wie sie es in den letzten Jahren getan haben, wenn es gerade in ihre Taktik gepasst hat.

Doch wer nicht das Miteinander in Europa kultiviert, der wird das Gegeneinander ernten. Im Gegeneinander haben wir jahrhundertelange Erfahrung, blutige Erfahrung. Es hat über Jahrhunderte Schmerz und Leiden über die Menschen gebracht. Im engagierten Miteinander hingegen haben wir auf unserem Kontinent Frieden, Wohlstand und Lebensqualität geerntet. Dass dieses Bekenntnis zu einem engagierten Miteinander in Europa in einer österreichischen Bundesregierung faktisch nicht außer Streit steht, das schmerzt. Und es bleibt mittel- und langfristig brandgefährlich für das Wohl der Menschen in unserer großartigen Republik.

Die fünf Chancen-Killer von Schwarz-Blau für unsere Schülerinnen und Schüler

Gestern hat die wohl zukünftige Bundesregierung ihre Vorstellungen einer Bildungspolitik präsentiert. Zusammengefasst: ein Schritt nach vorn, zwei Schritte zurück. Das Ziel Deutsch als gemeinsame Unterrichtssprache, ist ein gutes – die Ausgestaltung aber noch offen. Politische Bildung und Staatskunde als Unterrichtsfacht – gekauft. Die Aufwertung der Lehre – wichtig und richtig, aber noch nicht weitgehend genug.

Doch diese Punkte alleine bringen noch keine echte Bildungswende. Das geplante Regierungspaket ist leider ein Nicht Genügend:

  • Mehr Chancengerechtigkeit für die jungen Menschen in unserem Land hat für Schwarz-Blau offensichtlich null Priorität.
  • Bei der pädagogischen Autonomie kommen sogar Rückschritte (verpflichtende Ziffernnoten in der Volksschule).
  • Die Parteibuchwirtschaft bei Direktorenbestellungen soll offensichtlich fröhlich fortgesetzt werden.
  • Den Landeshauptleuten wird weiterhin der machtpolitische Zugriff als das Bildungssystem gewährt.
  • Die Spaltung der Gesellschaft mit Ghettokindergärten und Brennpunktschulen wird sich weiter verstärken, die Flucht in Privatschulen zunehmen.
  • Für eine verstärkte Autonomie und Stärkung der Schulleitungen sowie Lehrerinnen und Lehrer (personelle, finanzielle und organisatorische Autonomie der Schulen) fehlt die Vision oder der Mut.
  • Die freien Schulen als Innovationsmotor werden weiter links liegen gelassen und
  • bei der Finanzierung klafft ein 600 Millionen Euro-Budgetloch.

 

Kein Mehr an Chancen-Gerechtigkeit

Welche Bildungskarriere und damit auch welchen beruflichen Lebensweg Schülerinnen und Schüler einschlagen, das hängt immer noch vorwiegend davon ab, was ihre Mütter und Väter sind – und nicht, was ihre Talente sind. Daran wird sich bei Schwarz-Blau auch nichts ändern. Die Überschrift „Bildungspflicht“ wäre ein guter Ansatz – aber nur, wenn er auch zu Ende gedacht wird. Wenn die Bildungspflicht mit einer „Mittleren Reife“ formuliert wird und diese zum Orientierungspunkt für eine Mittelschulen der Vielfalt wird, dann wäre es ein Fortschritt. Statt das Sortieren von 9-Jährigen Kindern in zwei Töpfe bekämen wir Mittelschulen so vielfältig wie die Talente unserer Kinder – gemeinsames Ziel, unterschiedliche Wege. Freie Schulwahl ohne Schulgeld für Kinder, Jugendliche und Eltern – mit Einbeziehung und Gleichberechtigung der freien Schulen (ohne Schulgeld). Doch das wollen ÖVP und FPÖ nicht – über das Gymnasium wird die Käseglocke gestülpt. Und damit bleibt alles gut? Glauben offenbar die Verhandler von Schwarz-Blau.

Das ist ein Irrglaube. Natürlich leisten die Gymnasien gute Arbeit, bei wenig Geld. Aber das Einzementieren der Gymnasien und das Verhindern, dass auch Gymnasien beim Thema soziale Durchmischung in die Ziehung kommen, gibt Brennpunktschulen weiter Auftrieb und treibt die Spaltung der Gesellschaft weiter voran. Deutsch-Klassen alleine werden nicht ausreichen, um für mehr Chancen-Gerechtigkeit zu sorgen.

 

Kein Mehr an sozialer Durchmischung

Ohne konkrete Anreiz-Instrumente für soziale Durchmischung und zusätzliches Geld dafür werden die Herausforderungen im Bildungsbereich nicht zu bewältigen sein. NEOS fordern ein umfassendes Chancen- und Innovationspaket für unsere Schülerinnen und Schüler, mit dem wir 500 Millionen Euro zusätzlich investieren (die Gegenfinanzierung ist im NEOS-Steuerreformkonzept dargelegt).

  • Echter Chancenbonus für Österreichs Schulen. Alle staatlichen und staatlich mitfinanzierten Schulen können ein Zusatzbudget lukrieren, über das sie autonom verfügen können. Die Kriterien zur Berechnung dieses zusätzlichen Budgets: Der Bildungshintergrund der Eltern. Diese Maßnahme soll als Anreiz für Schulen verstanden werden. Schulen wird kein Geld weggenommen, sie bekommen zusätzliches Budget, wenn sie Kinder mit einem niedrigeren Bildungshintergrund fördern.
  • Gleichstellung freier Schulen mit konfessionellen Schulen mit einem gemeinsamen Qualitätsrahmen. Freie Schulen können für einen echten Innovationsschub im Schulsystem sorgen – nicht zuletzt durch ihre umfangreichen Erfahrungen mit Autonomie.
  • Verpflichtende Deutsch-Förderkurse und freiwillige Förderkurse in den letzten Ferienwochen. Schulen, die sich um einen Chancenbonus bewerben, müssen in den letzten beiden Ferienwochen Förderkurse in zumindest den Gegenständen Deutsch, Mathematik und Englisch anbieten. Für die Schülerinnen und Schüler, die der Unterrichtssprache Deutsch nicht folgen können, sind verpflichtende Deutsch-Förderkurse in den letzten beiden Ferienwochen an den Schulen zu besuchen. Werden die Kurse nicht besucht, dann gibt es Konsequenzen in Form eines Abzugs bei der Familienbeihilfe.

 

Rückschritte bei der pädagogischen Autonomie der Volksschulen

Zucht und Ordnung soll offensichtlich in die Schulen kommen. Die Sehnsucht nach Ziffernnoten für 7-Jährige ist vom selben Geiste wie das Bekenntnis zur „gsunden Watschn“ (ein Promi-Kandidat von Sebastian Kurz). Zurück zu den Ziffern – die „Rohrstaberl-Mentalität“ der Regierungsverhandler stellt einmal mehr einen überholten Leistungs-Begriff in den Vordergrund. Auch für NEOS ist Leistung wichtig, aber Leistung im Sinne von Bewährung. Kinder wollen auch selbst ihre Talente spüren – und wir sollten dabei nicht destruktiv drüberfahren. Alternative Feedbacksysteme sind wichtig – in den vergangenen Jahrzehnten gab es in 3000 Volksschulen 2000 Schulversuche dazu. Die Folge von der Rückkehr zu den Schulnoten wird bedeuten: Mehr Bürokratie durch hunderte neue Schulversuche und/oder eine massive Beschneidung der pädagogischen Autonomie an Volksschulen.

 

Keine Budgetklarheit

Über Geld wurde von den Regierungsverhandlern bisher noch gar nicht gesprochen – im Bildungsbereich ein großer Fehler. Denn nicht nur, dass große Investitionen anstehen (wie auch von den Verhandlern angedeutet – z.B. die Einführung von Politische Bildung als Schulfach), es muss auch endlich die bereits traditionelle „strukturelle Lücke“ im Bildungsbudget geschlossen werden. Im kommenden Jahr fehlen hier rund 600 Millionen Euro – und dabei handelt es sich im Wesentlichen um Lehrergehälter.

Konkret müssen hier endlich die Bundesländer in die Pflicht genommen werden. Sie bekommen jährlich Geld für Landeslehrer zugeschossen und müssen aber nicht berichten, wofür sie das Geld eigentlich ausgeben. Das Lehrer-Schüler-Verhältnis müsste derzeit bei knapp 1:10 liegen (1,125 Millionen Schüler zu knapp 120.000 Lehrer). In den Klassen liegt die durchschnittliche Schülerzahl aber bei rund 20 Schüler_innen pro Klasse. Wo sind die „fehlenden“ Lehrerinnen und Lehrer?

Wo die sind, weiß man nicht so genau. Der Bund weiß jedenfalls nicht, wofür die Länder ihre Pädagoginnen und Pädagogen einsetzen – ein offenes Geheimnis ist es jedenfalls, dass viele – anstatt zu unterrichten – in den Landesschulräten, Landesregierungen und parteipolitischen Vorfeldern arbeiten. Hier braucht es klare Vorgaben, die Länder zu mehr Transparenz zu bewegen.

 

Kein Kampf gegen Parteibuchwirtschaft

Bildungspolitik bleibt Machtpolitik. Was für die letzte Regierung galt, wird auch für die kommende gültig bleiben. Das Thema Parteipolitik raus aus den Schulen wurde von Kurz und Strache nicht einmal gestreift – die Bildungsdirektionen bleiben unangetastet. Und damit werden weiter die Landeshauptleute in den Klassenzimmern stehen – allerdings mit dem Parteibuch und nicht mit dem Schulbuch. Wenn auch nur ein kleiner Wille von Schwarz-Blau bestünde, an dieser Situation etwas zu ändern, dann ließe sich das sehr leicht bewerkstelligen. Wir NEOS werden dazu – wie zu allen anderen erwähnten Punkten – entsprechende Veränderungs- und Gestaltungsvorschläge im Nationalrat einbringen.

Ein gutes Leben – mit Reformturbo für Österreich!

Österreich geht besser! Ein gutes Leben – das sollen wir haben in unserem Land. Wir alle! Und dafür ist es wichtig, dass das neu gewählte Parlament und die nächste Bundesregierung wichtige Lösungen voranbringen, so manch alte Zöpfe abschneiden und mutig neue Wege gehen. Dafür werden wir NEOS unsere Kraft einbringen – als DIE Opposition dreifach: als Kontrollpartei, Hüterin der Verfassung und als Reformturbo.

Hier meine Antrittsrede dazu bei der Konstituierung unseres neuen Nationalrats.

Und hier ist unsere Reform-Agenda für Österreich für 2017 – 2022, wie wir sie heute, am 14. November 2017, bei unserer Klubklausur im Burgenland präsentieren:

1. Talente blühen – Bildungswende von unten

  • Kindergärten aufwerten
  • Schulautonomie in Vollausbau bringen
  • Chancen-Bonus einführen

2. Miteinander statt gegeneinander – Europa formen:

  • Unionsbürgerschaft einführen
  • Gemeinsame Asyl- und Migrationsstrategie umsetzen
  • Europa-Armee aufbauen

3. Den Bürger_innen mehr Geld lassen – Sofort-Entlastung durch Steuerreform 1 (1. Halbjahr 2018):

  • Kalte Progression sofort abschaffen
  • Kammerbeiträge sofort runternehmen
  • Förderungen auf allen Ebenen sofort um 10% senken

4. Innovation, Nachhaltigkeit und Fairness fördern – Sozial-ökologische Steuerreform 2 (2019 folgend):

  • Faktor Arbeit entlasten & Sozialversicherungsbeiträge senken, damit Arbeitsplätze wachsen
  • Innovationsfördernde CO2-Steuer einführen (Vorbild Schweden)
  • Integrierte Klima- und Energiestrategie schaffen

5. Gläserner Staat statt gläserner Bürger – Transparenz vorantreiben:

  • Amtsgeheimnis abschaffen und Informationsfreiheitsgesetz umsetzen
  • Transparenzdatenbank einführen (Pönale von 50 Millionen Euro bei Verweigerung)
  • Parteien voller Transparenz unterwerfen

6. Athletischer Staat & verantwortungsvolle Politik – Staatsreform 2.0:

  • Österreich-Konvent 2.0 umsetzen (Staatsreform & Bürokratieabbau)
  • Parteienförderung senken & direktdemokratische Instrumente ausbauen
  • Schuldenbremse in den Verfassungsrang heben

7. Miteinander auf Augenhöhe – gesellschaftspolitische Reformen:

  • Ehe für Alle sofort umsetzen
  • Gleichberechtigte Karenzansprüche für beide Elternteile verankern
  • Kinderbetreuung ab dem 1. Lebensjahr flächendeckend ausbauen

8. Generationenfairness gewährleisten – enkelfittes Pensionssystem:

  • Pensionssysteme harmonisieren – einheitliches Flexi-Pensionsmodell nach schwedischem Vorbild einführen
  • Frauenpensionsalter an jenes der Männer angleichen
  • Pensionsautomatik – Lebenserwartung im System abbilden

9. Hohe Versorgungsqualität in Gesundheit und Pflege – Systeme weiterentwickeln:

  • Ganzheitliche Pflegereform – mobile und wohnortnahe Versorgung ausbauen
  • Fokus von Intervention auf Prävention verschieben („mehr gesunde Jahre“)
  • Interdisziplinäre, wohnortnahe Versorgung durch niedergelassenen Bereich stärken

10. Gelingende Integration – Lösungen statt Probleme groß machen:

  • Bundeseinheitliche Mindestsicherung nach Vorarlberger Vorbild einführen (mehr Sachleistungen, Orientierung auf Eintritt/Rückkehr auf den Arbeitsmarkt, Sanktion bei Nicht-Einhaltung der Integrationsvereinbarung)
  • Residenzpflicht für anerkannte Flüchtlinge, um dezentrale Intergration zu gewährleisten
  • Deutsch ab dem ersten Tag & Zugang zum Arbeitsmarkt nach sechs Monaten gewährleisten

11. Selbstbewusste Demokratie & mündige Bürger_innen – auf die Herausforderungen der Zeit antworten:

  • Politische Bildung (kritisches Denken), Digitale Kompetenz (inkl. Medienkompetenz) & „Ethik und Religionen“ in Schulen verankern
  • Medienförderung neu inkl. ORF-Reform mit Fokus auf Public Value umsetzen
  • Persönlichkeitswahlrecht (personalisiertes Verhältniswahlrecht) einführen

12. Freiheit statt Zwang – Sozialpartnerschaft erneuern:

  • Kammer-Pflichtmitgliedschaft abschaffen
  • Sozialpartnerschaft aus dem Verfassungsrang nehmen – Bewährung durch Leistung
  • Arbeitszeitregelungen flexibilisieren, Betriebsvereinbarungen stärken & Wildwuchs bei den Kollektivverträgen zurückdrängen (hohen Deckungsgrad beibehalten)

1.000 afrikanische Partner-Städte für Europa – Machen wir die Lösungen groß!

Es ist in unserem Interesse, dass die (nord-)afrikanischen Staaten stabil sind. Sie sollen zuverlässige Partner für unsere Europäische Union werden, speziell in der Flüchtlings- und Migrationsproblematik, aber auch in vielen anderen Bereichen, wie bei der Bekämpfung des organisierten Verbrechens, bei Terrorabwehr und im Sinne wirtschaftlicher Beziehungen auf Augenhöhe.

Unser Vorschlag: Städte überall auf der Welt stehen vor denselben Herausforderungen. Es geht um Schulen, Krankenhäuser, Wasserversorgung, Abfallwirtschaft, effiziente Verwaltung, wirtschaftliche Entwicklung, Sicherheit, Energieversorgung, funktionierende Feuerwehren, Verkehrsplanung, Straßenbeleuchtung und vieles mehr. Europäische Städte können ihr Knowhow und ihre Erfahrungen weitergeben. Sie können gemeinsam mit einer Initiative der Europäischen Union direkt vor Ort investieren und ihren Beitrag dafür leisten, dass sich nordafrikanische Städte entwickeln können und so echte Wirtschaftspartnerschaften entstehen.

Selbst in instabilen Regionen wie Libyen finden sich Städte, die stabile lokale Regierungen aufweisen. Genau dort zu investieren, um diese Städte bei der positiven Stadtentwicklung und beim wirtschaftlichen Aufschwung zu unterstützen, würde sich in weiterer Folge auch auf andere Städte positiv auswirken. Im Gegenzug können diese Städte Migrantinnen und Migranten, die bereits in ihrem Land sind, aufnehmen und Zugang zum Arbeitsmarkt gewähren. So würden auch weniger Flüchtlinge die gefährliche Reise über das Mittelmeer antreten.

Dass solche Partnerschaften funktionieren, zeigen die erfolgreichen Pilotprojekte der Nicosia Initiative. Sieben libysche Städte sind gemeinsam mit europäischen Partnerstädten verknüpft. Antwerpen gibt libyschen Beamten Knowhow für korrekte Müllentsorgung, Lissabon hilft bei der Krankenschwesterausbildung und das spanische Murcia im Umgang mit Wasser.

Bei 1.000 Partnerschaften mit EU-Städten wären das ca. 15 Städte-Partnerschaften aus Österreich. Das schaffen wir leicht, gerade wenn diese Initiative vom Europäischen Ausschuss der Regionen unterstützt wird. Bei der Anzahl an österreichischen Städten, die hier in Frage kommen, bin ich mir sicher, dass sich genügend freiwillige Kommunen finden. Schon bei der Lösung der Frage der Flüchtlingsunterbringung 2015/16 haben die Regierungsbeauftragten Christian Konrad und Ferry Maier berichtet, dass die wichtigsten Partner für Lösungen unsere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister waren. Dort wo die (gescheiterte) Bundesregierung keinen Zug zu Lösungen hatte und hat – die Bürgermeister waren und sind pragmatische Umsetzer. Sie machen die Lösungen groß, nicht die Probleme. Und das muss die Handlungslinie sein.

Wir NEOS sind davon überzeugt, dass es der effektivste und effizienteste Weg ist, hier eine gemeinsame EU-Initiative aufzusetzen, aufbauend auf der bereits bestehenden Nikosia-Initiative. Natürlich ist diese Initiative in das Vorhaben eines Marshallplan für Afrika und für Registrierzentren in Nordafrika einzubetten. Die gute Nachricht – wir können morgen damit beginnen. Alles was schon gut läuft, kann später mit in einen größeren Plan aufgenommen werden.

Ich werde meine Vorschläge daher auch mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Kreis der liberalen Partei- und Regierungschefs besprechen. Noch heute geht das Konzept an Guy Verhofstadt, unseren liberalen Fraktionschef im Europäischen Parlament. Erste Medienberichte zu unserem Vorschlag gibt es schon.

Hier nochmals die wichtigsten Punkte zusammen gefasst:

  • 1000 afrikanische Partnerstädte in Europa, von Kiel bis Toulouse, von Göteborg bis Valencia und auf der anderen Seite des Mittelmeers von Casablanca bis Niamey in Niger.
  • 15 dieser Partnerschaften mit österreichischen Städten. Wien, Klagenfurt, Dornbirn oder auch kleinere wie Leoben oder Krems an der Donau könnten alle dazu beitragen, dass wir mit unserer Expertise unseren Nachbarn zur Seite stehen. Unterstützt vom Europäischen Ausschuss der Regionen soll sich die Partnerschaft auf definierte Spezialgebiete konzentrieren, um hier maximalen Fortschritt zu erzielen (zB Abfallwirtschaft, Aufbau eines Technologieparks, effiziente Verwaltungsstruktur, Krankenhausaufbau, Bildungswesen).
  • Auch lokale österreichische Unternehmen sollen mit in diese Kooperationsprojekte eingebunden Wirtschaftliche Partnerschaften auf Augenhöhe sind das Ziel. Die öffentliche Hand sollte hier in der Anfangsphase entsprechende Haftungen für Investitionen übernehmen.
  • Insbesondere soll in den Partnerschaftsbereichen auch die Ausbildung vor Ort gestärkt werden, damit vor Ort nachhaltig tragfähige Strukturen und Arbeitsplätze wachsen. Idealerweise entsteht daraus auch ein Spillover-Effekt und andere Städte profitieren von der regionalen Entwicklung und dem Expertisen-Transfer.
  • Die afrikanischen Partnerstädte können damit auch Kontingente von dort ankommenden Migrantinnen und Migranten aufnehmen und verpflichten sich, diesen Zugang zum Arbeitsmarkt zu gewähren. Das senkt den Druck auf die Migration nach Europa.

Wir können, wenn wir wollen: Städte wie Tunis sind zwei Flugstunden von Österreich entfernt. Diese Städte und ihre Bewohnerinnen und Bewohner sind gleichsam unsere Nachbarn und mit ihnen werden wir Gemeinsamkeiten und folglich auch gemeinsame Lösungen finden, wenn wir uns nur wirklich dafür einsetzen.

EU-Registrierzentren in Nordafrika mit 99-jähriger Pacht

Mit grassierender Armut, dem Fehlen wirtschaftlicher Perspektiven, kriegerischen Konflikten und dem Kampf ums nackte Überleben werden Flüchtlingsströme aus Afrika in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weiter zunehmen. Europa muss gegensteuern – auf mehreren Ebenen. Die EU soll gemeinsam mit den Vereinten Nationen einen Marshallplan für Afrika vorantreiben. Es braucht wirtschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe, damit sich die Perspektiven und Chancen vor Ort positiv entwickeln. Damit bekämpfen wir die Fluchtursachen an ihren Wurzeln und wirken auch dem massenhaften Sterben in der Sahara und Sahelzone entgegen (die Zahl der Fluchttoten in diesen Gebieten ist wesentlich höher als im Mittelmeer).

Kurzfristig stellt sich die Frage, wie Europa mit den Flüchtlingsströmen über das Mittelmeer umgehen soll, damit das Sterben im Mittelmeer ein Ende hat und Europa seinen Werten der Menschenrechte treu bleibt. Kein_e Politiker_in hat bisher eine Antwort gegeben, wie das genau funktionieren kann und wie Registrierzentren „an den europäischen Außengrenzen“ gelingen sollen. Bisher wurden vor allem die Probleme in den Vordergrund gestellt, nicht die Lösungen. Ich bin davon überzeugt, dass wir lösungsorientierte Zugänge brauchen – mit innovativen Ansätzen, die auf dem Boden des Völkerrechts und der Menschenrechte stehen. Klar ist: Die Herausforderungen sind riesig. Aber auch unsere Kraft, wenn wir als EU gemeinsam anpacken, ist riesig. Entweder helfen wir mit, Lösungen zu entwickeln oder die Probleme landen mit voller Wucht in unserem Garten.

Mein Vorschlag für Registrierzentren an der EU-Außengrenze: Die EU pachtet von zwei nordafrikanischen Staaten genügend große zusammenhängende Gebiete auf 99 Jahre. Auf diesem Boden werden zwei Registrierzentren unter Aufsicht und Schutz der EU eingerichtet. Diese Zonen gelten als exterritoriales Gebiet der EU und vor Ort gilt damit EU-Recht. Mit der Anmietung dieser Gebiete einher geht eine gezielte Unterstützung des Aufbaus der Infrastruktur der Partner-Länder, von denen der Grund gemietet wird. Diese Kooperation wird in den Aufbau „Marshallplan für Afrika“ eingebettet, der mit Schwerpunktländern im nördlichen und mittleren Afrika starten soll.

In diesen Registrierzentren werden Registrierungen vorgenommen und Asylanträge bearbeitet. Die Zahl der Flüchtlinge soll sinken. Die Prozesse sind klar und der Vollzug entschlossen: Wer einen positiven Asylbescheid bekommt und damit asylberechtigt ist, wird nach Europa gebracht. Dort erfolgt eine faire Verteilung. Wer keinen positiven Bescheid hat, wird in sein Herkunftsland rückgeführt. Der Abschluss von Rückführungsabkommen wird ebenfalls im Rahmen des „Marshallplan für Afrika“ forciert. Unkontrollierte Flüchtlingsströme quer durch Europa werden entschlossen unterbunden.

Weitere Maßnahmen:

  • Die Registrierzentren werden von Seiten der EU betrieben und beschützt. Österreich soll dabei seine Erfahrungen im Bereich Wasseraufbereitung, Pioniere und Polizeiarbeit einbringen.
  • Flüchtlinge die nur temporär Schutz suchen, bis der Krieg in ihrem Land vorbei ist, werden hier günstiger versorgt als derzeit in Europa. Sie werden vor Verfolgung, Hunger und Gewalt geschützt.
  • Asylwerber_innen, deren Herkunft unbekannt ist, werden bis zur Klärung der Herkunft dorthin verbracht. Die Praxis von „weggeworfenen Pässen“ wird damit eingedämmt.
  • Die Frontex-Schiffe können gerettete Flüchtlinge direkt in dieses sichere Gebiet zurück bringen. Dies würde auch die aktuelle Flüchtlingsbewegung übers Mittelmeer bremsen, da jeder Flüchtling die Regeln kennt und ein Aufgriff am Mittelmeer nicht automatisch ein Ticket für die Europäische Union bedeutet.